Konzerte

Millencolin
The Lawrence Arms, Street Dogs, Everest

14.April 2005

Wohlig warm und sonnig war der Abend vor dem Schlachthof bevor die Menschenmassen sich in die Halle drängten um die Schweden von Millencolin begrüßen zu können. Mit ihnen kamen drei weitere Bands, die dem Publikum ordentlich einheizen sollten. Die erste Gruppe hatte den kürzesten Weg zurückzulegen, denn Everest kommen aus Darmstadt wohingegen die beiden anderen Supports aus den Staaten anreisten.

Nachdem die Band sich kurz mit einem Intro eingespielt hatten, legten sie mit ‚Music Is Dead' los, was eigentlich eine Verhöhnung angesichts des Line-Ups war, aber der Abend war noch jung und die Zuschauer noch nicht allzu zahlreich. Man wollte sein aktuelles Album "Demons For Company" vorstellen, das dieses Jahr das Licht der Öffentlichkeit erblickte. Das Publikum schien von dem Ganzen zwar angetan bewegte sich allerdings kein Stück, sondern applaudierte immer nur nachdem die Titel vollendet waren. ‚Living In Circles' war der erste Track der etwas mehr Reaktionen in der Menge auslöste. ‚Queen Of Her Own Jail' folgte darauf, fand aber weniger Beachtung als der Vorgänger und das folgende ‚Wake Up Get Real'. Das war der Schlusspunkt des nur 20 Minuten währenden Gigs der, mit Intro, nur 6 Werke beinhaltete. Die Darmstädter behaupteten zudem die aktuelle CD wäre ihre Erste, was in Anbetracht von "The Road Less Travelled" nicht ganz der Wahrheit entsprach. Dennoch hat der eine oder andere Anwesende das gewisse Etwas von Everest abbekommen und wird sich wohl weiter mit der Band beschäftigen.

Nach einer viertelstündigen Umbaupause war die nächste, deutlich schnellere Gruppe an die Reihe. Die Street Dogs aus Boston, Massachusetts, wie der Sänger immer wieder betonte mobilisierten den Mob binnen weniger Sekunden auf der Bühne. Es waren nicht wenige Amerikaner gekommen um die zwei amerikanischen Bands zu sehen und schon bei den Street Dogs auszuflippen. In ihren typischen Outfit: Mütze, Anzug und Krawatte betraten die Bostoner die Bühne und spielten zum Auftakt den Titelsong ihrer letzten Scheibe "Savin Hill". Plötzlich wurde man in Richtung Bühne und zur Mitte hin gedrückt, weil sich dort bereits die Pit gebildet hat in der ordentlich gepogt wurde. Die ersten Crowdsurfer waren auf den Weg zur Security im Fotograben um wieder am Rand der einzusteigen. Das Bier floss in Strömen, nicht nur in die Kehlen der Zuschauer, sondern auch auf den Boden der allmählich klatschnass und rutschig wurde. Bevor die Herren auf der Bühne ‚You Alone' anstimmten ging Mike McColgan, seines Zeichens Ex-Dropkick Murphys Mitglied, von der Bühne direkt an die Absperrung um die Stimmung des Publikums hautnah zu erleben und seine Nähe zu demonstrieren. Als nächstes kam eine Widmung an einen alten Freund, die im Song ‚Fighter' an die Besucher herangetragen wurde. Die Temperatur im Schlachthof nahm langsam, aber deutlich zu und es wurde etwas schwüler, was nicht zuletzt an den schwitzenden Menschen im Zentrum vor der Bühne lag, die sich vollkommen verausgabten. Das man in Boston nicht nur Ska und Punkrock, sondern auch Hardcore macht, bewies man mit einem "Boston-Hardcore" Titel, der abermals für wogende Bewegung in der Halle sorgte. Lange sollte das Konzert nicht mehr dauern nachdem ‚In Defense Of Dorchester' und ‚2 Bottles' gespielt waren. ‚Last Call' wurde zum Abschiedlied bei dem noch mal ordentlich improvisiert wurde. Mike stieg auf die Boxen und fing an ‚Get Up, Stand Up' von Bob Marley anzusingen. Er forderte eine letzte Kraftanstrengung in der Circle-Pit um sich gebührend auf den Weg von der Bühne zu machen, diese bekam er und betonte noch mal beim Abschied, dass man eben die Street Dogs aus Boston, Massachusetts gesehen hat.

Die Lawrence Arms betraten um kurz vor halb zehn die Bretter des Schlachthofes und legten auch gleich mit ihrem wohl bekanntesten Song ‚Dancing Machine (Il Robot Con La Testa Di Scimmia)' vom Fat Wreck Chords Sampler "Uncontrollable Fatulence", der wohl in keiner Punkrock-Sammlung fehlen darf, los. Die Besucher des ausverkauften Schlachthofes standen von Beginn an hinter dem sympathischen Trio aus dem schönen Städtchen Chicago und feierten ihre Songs als wären sie der Headliner des heutigen Abends. Bei den schnelleren Songs Marke ‚On With The Show' gab es kaum Leute die nicht irgendwie mit der Musik mitgingen, sei es nun in der Pit oder auf den hinteren Plätzen. Meine Güte was für eine Stimmung und das schon bevor die Punkrock-Götter von Millencolin auf die Bühne kommen sollten. Routiniert und mit viel Spielfreude wurden neue Songs wie beispielsweise ‚Chapter Thirteen: The Hero Appears' und Klassiker á la ‚Right As Rain' unter die Meute gebracht, die die Stimmung in immer höhere Dimensionen trieben. Die Zeit verging wie im Flug, denn nach meinem absolutem Fave ‚The March Of The Elephants' sollte nur noch ein Song folgen. Mit ‚Necrotism' einem weiteren Sampler-Beitrag (auf "Rock Against Bush Vol. 2" vertreten) wurde die halbstündige Show der Lawrence Arms viel zu früh beendet, den angereisten Fans hat's wohl gefallen, denn The Lawrence Arms wurden unter tosendem Applaus verabschiedet. Es folgte eine wirklich benötigte Umbaupause, die von vielen dazu benutzt wurde die verbrauchten Akkus in Form von Bier wieder aufzuladen.

Als dann endlich um 22.25 Uhr das Licht zum vierten und letzten mal erlosch gab es kein Halten mehr im Schlachthof, alles wollte beim ersten Song der Skate-Punk Heroen in der ersten Reihe stehen, dementsprechend war vor der Bühne viel los und man musste seinen Platz mit allen Mitteln versuchen zu "verteidigen". Ein wenig Geduld musste man aber dennoch haben, denn Millencolin ließ die Meute erstmal knappe fünf Minuten im Dunkeln stehen, ehe sie auf die Bühne gerannt und mit dem Opener ihres neusten Albums "Kingwood" (‚Farewell My Hell') auch gleich zur Sache kamen. Nach ihren beiden Hits ‚Fox' und ‚Man Or Mouse' war es an der Zeit das Wiesbadener Publikum zu begrüßen und ein wenig zur Ruhe kommen zu lassen. Man was für ein Auftakt, einfach genial. Viel Zeit blieb einem nicht um zu verschnaufen, denn die Show der Schweden ging genauso energiegeladen weiter, wie sie begonnen hatte. Ob nun ‚Friends 'Till The End' von ihrem Killeralbum "Life On A Plate", ‚Black Gold' vom Nachfolger oder ‚No Cigar' von der "Pennybridge Pioneers", fast alle Klassiker kamen zum Einsatz. Dennoch machten die beiden letzten Releases "Home From Home" (‚Botanic Mistress', ‚Battery Check') und das kürzlich erschienene "Kingwood" (‚Biftek Supernova', ‚Shut You Out') einen Großteil der Songs aus. Mit dem Opener ihres Debütalbums "Tiny Tunes" bzw. "Same Old Tunes" wie es nach dem Rechtstreit mit Warner nun heißt war dann auch schon wieder Schluss und das Quartett verschwand unter tosendem Applaus von der Bühne. Erneut ließen sich die Schweden Zeit und genossen hinter der Bühne die Jubel- und Zugaben-Rufe des Publikums, ehe sie mit ‚Penguins And Polarbears' die Zugabe eröffneten. Die aktuelle Singleauskopplung ‚Ray', der Tanzklassiker ‚Dance Craze', sowie der Killer ‚Softworld' standen als letzte Songs auf der Setlist, die ebenso frenetisch abgefeiert wurden wie die 18 Songs des regulären Sets. Als die Rufe nach einer weiteren Zugabe laut wurden gab es mit ‚Duckpond' dann noch mal so richtig was auf die Ohren, ein wirklich guter Schlusspunkt der 90-minütigen Show der Schweden. Einziger Wehrmutstropfen: zwei meiner absoluten Faves (‚Twenty Two' und ‚Leona') wurden nicht berücksichtigt. Dennoch brachten Millencolin eine wahrhaft grandiose Show auf die Bühne des Schlachthofes, die wohl noch lange in Erinnerung bleiben wird, auch wenn der Vierer ruhig mal eine zweistündige Show auf die Beine stellen könnte.

Winfried Bulach / Nils Manegold