Konzerte

Blind Guardian
Freedom Call

29.April 2002

Heute Abend sollte sie also beantwortet werden, die Frage, wie zur Hölle Blind Guardian vor allem die Songs ihres letzten bombastischen Albums „A Night At The Opera” live umsetzen werden. Bei deren Support Freedom Call war die gleiche Frage ebenfalls erlaubt, eilt ihnen auch der Ruf einer Chorkapelle voraus. Für Spannung war also gesorgt...

Punkt 20 Uhr verdunkelte die Halle und das Intro ‚The Spell’ dröhnte aus den Boxen. Als Chris Bay und seine Mannen die Bühne betraten und den Opener ‚We Are One’ spielten, hatten sie die Mehrheit der bereits prall gefüllten Langener Stadthalle auf ihrer Seite. Die Band wurde lautstark angefeuert, was sich im weiteren Verlauf noch in ´Freedom Call´ Sprechchöre ausweitete. Sehr geil kamen vor allem die 2 Songs des baldigen Releases „Eternity“ zum Vorschein ‚Warriors’ und ‚Land Of Light’, die auf ein erfolgreiches 3. Studioalbum schließen lassen. Die restlichen Stücke bestanden aus einem ausgeglichenen Mix von „Chrystal Empire“ und „Stairway To Fairyland“. Das Freedom Call die teilweise wirklich überragenden Chorelemente ihrer Alben nicht transportieren konnten, war von vorneherein klar. Es ehrt die Band zwar, dass sie darauf verzichtet, diese Passagen einzuspielen, aber letztlich geht dadurch eine gehörige Spur Power flöten. Ganz deutlich wird dies z. B. bei einem Song wie ‚The Quest’. Die Backgroundvocals von Bassist Ilker Ersin und Gitarrist Cedric Dupont konnten lediglich andeuten, welch großartige Ausstrahlung dieser Song auf dem Album vermittelt und wurden zumeist von der extrem hoch angelegten Stimme Chris Bays übertüncht. Bis auf dieses erwartete Problem gab es nichts auszusetzen, musikalisch war die Vorstellung einwandfrei, die Soli wurden im 1:1 Format von den Alben auf die Bühne übertragen, Chris hatte wenig Mühe, dass ohnehin schon enthusiastische Publikum weiter anzuheizen. Folgerichtig verabschiedete man sich mit ‚Hymn To The Brave’ von den Fans, die zum Schluss noch mal richtig mitgrölen konnten.

Fazit: Obwohl Freedom Call nicht die Hymnenhaftigkeit ihrer Alben transportieren konnten, hinterließen sie durch Einsatz und Können einen guten Eindruck und dürften an diesem Abend einige Anhänger hinzugewonnen haben.

Viele Groupies drückten sich nun kurz nach 21:00 nach vorne, um einmal ganz nah an ihren Idolen dran zu sein. 1500 Leute warteten gespannt auf Hansi Kürsch und seine Truppe von Blind Guardian. Es dauerte eine Dreiviertelstunde, bis alle Umbauarbeiten erledigt waren und das Licht endlich ausging. Zu hören war unter tobendem Applaus ‚The field is lost, everything is lost...’, das Intro zum vorletzten Album „Nightfall In Middle Earth”. Das Intro kam aber nicht alleine vom Band, vielmehr grölten 1500 Menschen die Worte des Königs und dessen Diener aus Tolkiens Silmarillion mit, so dass schon fast Gänsehautstimmung herrschte. Als das Intro vorüber war, stürmten die Jungs von Blind Guardian auf die Bühne und starteten mit ‚Nightfall‘ ihren Auftritt. Das Publikum war nicht mehr zu bremsen, eine wilde Stimmung in den vorderen Reihen wurde noch verstärkt durch einige Deppen, die meinten nach vorne zu müssen, obwohl dort keinerlei Platz mehr war. Neben der Hitze, die durch das Schieben und Drücken entstand, wurde zusätzlich Feuer ins Spiel gebracht durch diverse Pyro-Effekte, die ein klasse Drumherum erzeugten. Vorn vornherein aber war mir eines sehr suspekt: Die Gitarren und der Gesang von Hansi Kürsch. Zeitweise - insbesondere bei den Soli - überdrehten die Gitarren und verschmutzten den Sound der Songs ein wenig, was mich doch bei einem so groß angelegten Konzert etwas verwunderte. Zum Gesang von Hansi Kürsch ist zu sagen, dass er einige Passage, die normalerweise sehr lang gezogen sind und sicherlich eine große Anstrengung für den Sänger darstellen, nicht richtig ausgesungen hat. Dies mag daran liegen, dass diese Tour sehr lang angelegt ist und er keinesfalls ein Stimmausfall riskieren möchte, der den Fortgang der Tour beeinflussen könnte. Deshalb soll dies kein Kritikpunkt sein, allenfalls eine Anmerkung. Besonders wild im Publikum wurde es bei den älteren Songs wie ‚Imaginations From The Other Side‘, dem supergeilen ‚Vallhalla‘ (mit die beste Stimmung in der Menge) oder ‚Lost In Time‘. Für die vielen ´neuen´ Blind Guardian Fans waren dann doch eher die Songs vom aktuellen Album „A Night At The Opera” - dass auch den Grund für die Tour stellte - die Highlights des Abends, da ‚Under The Ice‘ oder ‚The Soulforged‘ einfach für diese Generation bekannter und greifbarer sind, als zum Beispiel das oben schon erwähnte ‚Lost In Time‘. Ein Lied von Blind Guardian aber eint alle Fans zusammen: ‚The Bard`s Song‘... ich muss eigentlich nicht beschreiben, was bei diesem Lied in einer Menge von Fans abgeht, wenn Hansi Kürsch den Text anstimmt und das Publikum zu Ende singen lässt - einfach Wahnsinn.

Bei aller Klasse von Blind Guardian muss aber erwähnt werden, dass noch mehr Potential in den Jungs steckt, als die an diesem Montagabend gezeigt haben, alleine schon wegen den zeitweise unsauberen Gitarren. Eine Band mit so vielen Jahren Bühnenerfahrung kann noch mehr als 100% geben und nicht nur 90% der Anwesenden überzeugen, sondern alle bis auf den letzten Mann / Frau. Erfreulich aber waren die Zugaben bei denen ‚Mirror Mirror‘ und ‚Time Stands Still (At The Iron Hill) den Abschluss und ein versöhnliches Ende der Show boten, die wie zu Beginn die Zuschauer mit Sprühfeuer empfing, nun die Fans mit selbigem aus der Langener Stadthalle entließ.

Oliver Bender / Thomas Schmitt