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April 2010

Hallo Ihr beiden, (an Pete) wir haben uns ja kürzlich schon einmal getroffen, anlässlich des Classic Meets Rock Konzerts in der Jahrhunderthalle in Frankfurt, bei dem Dan neben Lou Gramm und Bobby Kimball aufgetreten ist. (wir berichteten)

Pete: "Oh ja, was ein Tag! Der ganze Tross mit Dan war in einem Hotel direkt an der Festhalle abgestiegen und ich habe daher geglaubt, dass auch das Konzert dort stattfindet. Ich bin dann mit einer Freundin aus Aschaffenburg ewig um die Festhalle herumgerannt und wir haben uns gewundert, dass niemand da war. Dann sind wir mit dem Taxi an die Jahrhunderthalle gerast und wirklich auf den letzten Drücker angekommen."

Ihr seid jetzt seit etwa 40 Jahren als aufnehmende Musiker im Geschäft. Könnt Ihr etwas über diese Zeit sagen?

Dan: "Wir haben in den 70ern hart gearbeitet und sind dann nach und nach aufgestiegen und waren Mitte dieses Jahrzehnts Stars. Dann kamen die 80er Jahre und wir waren über Nacht nur noch die müden alten Säcke. Wir waren sehr verunsichert über die Richtung, in die wir gehen wollten."

Pete: "Plötzlich gab es all dies Popsachen und den Synthesizerpop. Wir passten da überhaupt nicht mehr hinein und fingen daher auch an, Dinge auszuprobieren, die im Nachhinein wohl eher ein Fehler waren."

Dan: "Mir ist die komplett veränderte Musiklandschaft an dem Tag klar geworden, als Pete gekommen ist und gesagt hat: "Hast Du schon das neue Lied von XY GESEHEN?" Ein Lied gesehen! Das war die Zeit von MTV. Plötzlich war Image alles, und keiner hat sich mehr gute Musik von unattraktiven Männern angehört. (lacht) Ich habe vor einiger Zeit einmal mit Lemmy darüber gesprochen, wie die Optik der Musiker die Verkaufszahlen beeinflusst. Er hat mir gesagt, dass sich dadurch für ihn nichts geändert hat. Lemmy ist aber halt auch ein verdammt gut aussehender Typ!" (Gelächter!)

Aber in den 80ern war doch auch die Blütezeit des Heavy Metal. Viele andere Hardrockbands der 70er Jahre sprangen auf diesen Zug auf...

Dan: "Aber wir waren niemals eine Heavy Metal Band. Wir haben eher so eine Art bluesigen Hardrock gespielt. Und es waren ja auch in dieser Phase nicht alle unsere Songs schlecht!"

Pete: "Auf "The Catch" (1985) war ein Song, den Dan ganz großartig fand..."

Dan: ""This Month's Messiah""...

Das stimmt, den habt Ihr damals im Live Set gehabt, als ich Euch in der Eberthalle in Ludwigshafen bei dieser Tour gesehen habe. Ich glaube, das Problem mit dieser Platte war weniger das Songmaterial als die unsägliche Produktion...

Pete: "Das stimmt! Die Plattenfirma hat uns einen Produzenten vor die Nase gesetzt, den wir noch nie zuvor gesehen hatten und der aus unseren Songs nur das machte, was er haben wollte. Wir haben uns dann im Ergebnis nicht wieder gefunden."

Nun ja, "The Catch" ist vermutlich auch die schlechteste Scheibe, die Ihr in Eurer Karriere abgeliefert habt.

Pete & Dan: "Erstaunlich, Du bist in dieser Woche schon der Dritte, der uns das sagt..."

Aber live habt ihr es ja auch in der damaligen Zeit krachen lassen. Ich besitze einen Mitschnitt des Rockpalastkonzertes von dieser Tour und das ist aller Ehren wert! Allerdings habe ich diese Aufnahmen von einem russischen Händler auf dubiosen Wegen bekommen.

Dan: "Da sprichst Du etwas Unglaubliches an. Als wir in Russland aufgetreten sind, trafen wir einen Straßenhändler, der mit osteuropäischen Raubkopien gehandelt hat. Und der hat uns mitgeteilt, dass alleine in Russland zwischen 20 und 30 Millionen CDs von Nazareth illegal verkauft worden sind! Stell Dir das einmal vor! Wie reich wir sein könnten!"

Steht Ihr noch in Kontakt zu den ehemaligen Bandmitgliedern?

Dan: "Mit Darrell natürlich nicht mehr (Anm. d. Red.: Vor über zehn Jahren verstorben), aber mit Manny (Charlton) haben wir noch Kontakt. Es ist jetzt nicht so, dass wir noch regelmäßig zusammen einen trinken gehen, aber wir hören noch voneinander."

Pete: "Es ist schon erstaunlich, dass wir immer noch auf ihn angesprochen werden. Er war gerade eimal 19 Jahre in der Band und ist jetzt schon 20 Jahre nicht mehr dabei!"

Ja, aber er war doch ein wichtiges Bandmitglied, hat viele Songs geschrieben, viele Jahre lang die Platten auch produziert oder zumindest dafür die Credits bekommen und mit seinem Slidegitarrenspiel den Sound der Band nachhaltig geprägt!

Pete: "Das stimmt schon, aber gegen Ende war er nicht mehr mit dem Herzen dabei."

Dan: "Am Ende wollte er nur noch mit Sounds arbeiten und das Live Spielen und die Gitarre waren ihm nicht mehr so wichtig."

In den 70ern habt Ihr einige verdammt coole Covers gehabt. Wie wichtig ist Euch das Artwork?

Dan: "Für uns zählt zunächst einmal die Musik. Aber Du hast Recht! Frank Franzetti (berühmter Fantasy Zeichner, der auch schon für Molly Hatchet gearbeitet hat) hat das „Expect No Mercy“ Album entworfen, das die ganze Heavy Metal Szene beeinflusst hat. Wir hätten so weitermachen können Aber wir wollten nicht zu einem bloßen Klischee erstarren."

Danach kam dann das göttliche "No Mean City" Motiv...

Dan: "Ja wir sind zu diesem Fantasyzeichner..."

Rodney Matthews, der auch schon für Magnum, die Tygers of Pan Tang und Praying Mantis gearbeitet hat

Dan: "Ja, genau der. Und er hat das Motiv mit dem Knochenmann entworfen."

Nicht zu vergessen die großartige Ratte auf der Rückseite!

Pete: "Ja, die Ratte. Du glaubst gar nicht, wie oft uns Fans selbst gemachte Nazareth T-Shirts zeigen und mindestens auf jedem zweiten ist diese Ratte! Unglaublich! Für unsere letzte Scheibe (die vortreffliche „The Newz“!) hatte Dan übrigens die Idee mit dem Zeitungscover."

So etwas gab es allerdings schon einmal bei Jethro Tull oder Eric Burdon & War...

Dan: "Weißt Du, wenn wir im Studio sind, dann arbeiten wir nur an der Musik und plötzlich müssen wir der Scheibe einen Namen geben. Und von diesem Namen hängt dann letztlich auch das Artwork ab. Und weil das alles eben immer auf den letzten Drücker geschieht sind für uns die Covers nicht ganz so wichtig."

Gibt es demnächst wieder eine neue Platte von Nazareth?

Pete: "Ja, wir haben bereits ein Studio in Prag gebucht und werden die Aufnahmen im Spätsommer beginnen. Die Platte wird dann vermutlich im Herbst oder Winter herauskommen."

Auf dem gleichen Label, das auch schon "The Newz" gemacht hat?

Pete: "Genau, wir sind bei Edel geblieben."

Dan: "Drei Songs stehen schon komplett, für sieben weitere haben wir schon das Gerüst."

Wie arbeitet Ihr eigentlich im Studio? Wird dabei viel gejammt?

Dan: "Nein, wenn wir ins Studio gehen, wissen wir meistens schon ganz genau, wohin die Reise geht. Die Songs sind dann komplett ausgearbeitet. Wir nehmen die Musik sehr ernst."

Was man von Euren Texten nicht unbedingt immer sagen kann, oder? Da seid Ihr sehr oft augenzwinkernd.

Dan: "Das ist richtig. Und wenn wir zu guter Musik einen lustigen Text schreiben ist daran ja wohl nichts falsch, oder?"

Absolut nicht. Aber ich denke da an eine Nummer wie „Gatecrash“ (Anm. d. Red.: von „2XS“, es geht um Partycrasher,d.h. Menschen, die auf Parties von Wildfremden einfallen und alle Vorräte verichten, vor allem Alkohol und Drogen). Wart Ihr jemals solche Partycrasher?

Dan: (lacht) "Nein, nicht wirklich. Aber der Song war damals von den Erlebnissen bei einem gigantischen Open Air Festival in den USA inspiriert, bei dem auch Bob Seger und viele andere Stars aufgetreten sind. Und im Hotel war alles so chaotisch und keiner der Musiker ist in seinem Zimmer eingeschlafen oder aufgewacht. Und das hatte schon ein bisschen was von "Gatecrash"."

Pete: "Wir waren damals in einer Garderobe untergebracht und wurden von dort aus mit einer Limousine zur Bühne gefahren. Wir haben verdammte fünf Minuten mit dem Auto gebraucht, um bei der Bühne anzukommen! Das hatte ich auf dem Rückweg vergessen, als ich laufen wollte und zwanzig Minuten mit den Bühnenklamotten durch die Gegend gerannt bin."

Aber auch in der Minioper "Telegram" kommen einige Sachen vor, die wie ein Vorgeschmack auf Spinal Tap wirken...Wer war eigentlich die Inspiration für die Textzeile "Check guitars before you go - close enough for Rock & Roll!" (in etwa: Gitarren stimmen vorm Auftritt - für Rock & Roll ist die Stimmung ausreichend!)

Dan: "Das war die Zeit vor diesen neumodischen Stimmgeräten. Alles wurde damals nach Gehör gestimmt."

Pete: "Ja, und wir hatten einen Auftritt im Marqueeclub. Wir wollten ein Akustikset spielen. Manny mit der 6-saitigen und ich mit der 12-saitigen Gitarre. Das Publikum hat einen Riesenlärm gemacht und wir konnten unser eigenes Wort nicht mehr verstehen. Und dann haben wir irgendwann aufgegeben und haben einfach ungestimmt gespielt. Das war übrigens unser letzes Akustikset..." (grinst)

Dan, du verfügst über eine der außergewöhnlichsten Stimmen im ganzen Rockgeschäft. Wie kommt man zu solch einer Röhre?

Dan: "Ich weiß es nicht. Schon beim ersten Singen war diese Stimme schon da. Und egal was auch immer ich versucht habe, diese Stimme zu gefährden (zeigt auf seine Zigarette und das Glas mit Cognac), ich habe sie stets behalten, sogar jetzt noch mit weit über 60 Jahren."

Viele andere Sänger haben längst ihre Stimme verloren. Denkt einmal an Ian Gillan, der ist gar nicht mehr mit früher zu vergleichen.

Pete: "Das liegt aber auch an der Art des Gesangs. Ian Gillan hat viel mehr geschrieen und hat früher auch diese Falsettosachen gemacht. Und das greift die Stimme viel mehr an als Dans Gesangsstil."

Ihr seid ja erfahrene Musiker...

Dan: (lacht) "Das hast Du schön gesagt. Bleiben wir bei "erfahren", das klingt viel besser als "alt"."

Pete: "Sehr viel besser als "alt"."

Ich habe kürzlich mit Miller Anderson a fast gleicher Stelle ein Interview gemacht...

Pete: "Miller ist noch unterwegs? Großartig. Er ist ein guter alter Kumpel von uns!"

Dan: "In welcher Band spielt er denn eigentlich in der Zwischenzeit? Das letzte Mal habe ich ihn mit der Spencer Davis Group gesehen."

Er hat jetzt seine eigene Band. Er hat genau wir Ihr heute Abend vor einigen Wochen in Lorsch im Rex gespielt. Er ist wirklich ein außergewöhnlicher Gitarrist...

Pete: "...und Sänger. Er hat eine phantastische Soulstimme!"

Was ich eigentlich sagen wollte: Er ist genauso Schotte wie Ihr. Ist es nicht erstaunlich, dass ein kleines Land wie Schottland so viele großartige Musiker hervorgebracht hat?

Dan: "Ja, das stimmt, da war noch Jimmy (James Dewar, Sänger und Bassist bei Stone The Crows und Robin Trower), Alex Harvey. Ian Anderson stammt sogar wie wir aus Dunfermline."

Pete: "Ja, aber er ist schon mit drei Jahren von dort fort gezogen."

Dan: "Ganz tragisch ist das mit Frankie Miller..."

Ihr meint den grandiosen Sänger, der lediglich mit „Darling“ einen musikalischen Ausrutscher zu verzeichnen hatte?

Dan: "Genau der. Frankie ist heute ein Pflegefall."

Pete: "Ja, der arme Kerl sitzt seit ein paar Jahren im Rollstuhl und kann gar nicht mehr singen."

Stimmt es eigentlich, dass Ritchie Blackmore in den frühen 70ern (ca. 1973) Dan den Posten als Sänger bei Deep Purple angeboten hat?

Dan: "Ja, das stimmt. Aber ich habe abgelehnt."

Pete: "Stell Dir das einmal vor! Er kommt nach der Show in unsere Kabine und will in Anwesenheit der gesamten Band unseren Sänger klauen! Ich habe ihm gesagt, dass ich ihm beim nächsten Versuch bei aller Freundschaft alle Knochen im Leib brechen werde."

Dan: (lacht) "Das war dann meine Karriere bei Deep Purple..."

Aber immerhin gehört Ihr mit Nazareth mittlerweile zu den dienstältesten Bands des Planeten.

Dan: "Ja, das ist doch schon erstaunlich. In den 80ern wollte keiner mehr etwas von uns wissen und seit den späten 90ern waren wir über Nacht Legenden."

Vielen Dank für dieses ausführliche Interview. Wir sehen uns bei der Show! Viel Spaß und Erfolg!

Dan & Pete: "Danke auch, es hat uns großen Spaß bereitet! Bis nachher!"

Frank Scheuermann