Zur Veröffentlichung ihres neues Albums nahmen sich Chris (Bass) und Tentakel P. (Drums) von Todtgelichter die Zeit, mir ein paar Fragen zu beantworten. Sehr ausführlich und interessant, unterstreichen die Herren ihren Sound auch noch als Band und Persönlichkeiten selbst und bieten einige tiefe Einblicke...
Euer letztes Album erschien vor knapp drei Jahren, eine lange Zeit. Was hat sich für euch in dieser Zeit am meisten geändert?
Chris: Tja gute Frage - da ich erst seit gut einem Jahr dabei bin, kann ich die Frage nur teilweise beantworten. Zum einen war da natürlich der Besetzungswechsel am Bass (Bass hört ja eh keiner, hehe) und weitaus wichtiger am Gesang. Viel vom Songmaterial stand allerdings bereits, bevor Tobias eingestiegen ist. Er hat den Songs dann zusätzlich noch seine eigene Note gegeben.
Tentakel P.: Die Besetzungswechsel waren in der Zeit tatsächlich der größte Einschnitt, der uns bis dato wiederfahren ist. Sie waren aber nötig, um "Apnoe" in der Form fertig zu stellen. Unsere musikalischen Ziele sind aber, so seltsam das vielleicht gerade vor dem musikalischen Hintergrund von "Apnoe" klingen mag, gleich geblieben.
Was war für euch die größte Inspiration in dieser Zeit?
Chris: Da kann ich wieder nur für mich sprechen. Für mich war es sicherlich eine große Inspiration, mit den anderen Jungs (und natürlich auch dem Mädel) zusammenzuarbeiten. Da die Musik in eine ganz andere Richtung geht, als was ich vorher gemacht habe - und alles neu und anders für mich war - gestaltete sich das Songwriting natürlich sehr interessant. Ich hoffe allerdings, ich konnte die anderen auch ein wenig inspirieren.
Tentakel P.: Neue Mitglieder und somit frisches Blut sind in der Tat sehr inspirierend, haha. Ansonsten ist alles beim Alten geblieben; unsere Inspirationen ziehen wir aus den letzten Jahrzehnten Musikgeschichte, nicht nur aus dem Metal. Was Todtgelichter angeht, haben wir nur wieder mal einen Schritt nach vorne gemacht, wenn es darum geht, diese auch ansprechend zu verarbeiten. Ich finde zum Beispiel, unser Songwriting ist sehr viel stringenter und ausgereifter geworden, was sicherlich unseren Einflüssen geschuldet ist. Claudio z.B. bedient sich gerne Strukturen aus dem elektronischen Bereich (Dubstep und ähnliches), Freddy aus 70er bis 00er Rock und teilweise Metal, und ich schiele gerne auf 80er Rock/Pop - ich war und bin ein großer Genesis-Fan, und zwar vorwiegend die Sachen mit Phil Collins im Vordergrund.
Wo liegen die größten Unterschiede von "Apnoe" im Vergleich zu euren bisherigen Werken? Wie groß sind die Neuerungen für euch persönlich?
Chris: Im Grunde genommen ist bis jetzt kein Todtgelichter-Album wie das andere. Es gab eine stetige Weiterentwicklung. Der Schritt von Angst zu Apnoe war vielleicht nur etwas größer. Im Vergleich zu den vorherigen Alben ist Apnoe wesentlich rockiger geworden, was sich sowohl im Songwriting, als auch im Sound wiederspiegelt. Ich denke, für uns persönlich sind die Neuerungen nicht so groß, da das Songwriting ein Fluss ist, der stetig stattfindet und wir uns daher quasi langsam an den neuen Sound gewöhnen konnten. Im Gegensatz zu unseren Hörern.
Tentakel P.: Ja, das ist halt immer ein Problem – der Hörer bekommt ja zwischen zwei Veröffentlichungen nicht viel mit. Für uns war aber alles nachvollziehbar und logisch. Es kommt ja auch immer darauf an, von welcher Seite man das alles betrachtet – unsere typischen Melodien sind immer noch auf "Apnoe" vorhanden, da hat sich nichts geändert. Nur der Ausdruck hat sich geändert – wir sind sehr viel offener und klarer geworden, was dem Gesang ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Das "Weglassen" mussten wir z.B. auch erst lernen, wenn alles mit Distortion schreddert und blastet kann man halt auch am Sound nicht mehr viel machen. Lässt man aber ruhigere Töne erklingen, kann man auf einmal ganz anders arbeiten, sich z.B. sehr viel differenzierter darauf konzentrieren, bestimmte Dinge vordergründig zu präsentieren. Deswegen ist "Apnoe" so vermeintlich "ruhig" geworden, dafür hört man jetzt aber auch sämtliche Feinheiten, die verarbeitet worden sind.
Was glaubt ihr persönlich, was euer neues Album besonders auszeichnet?
Chris: Für mich zeichnet sich "Apnoe" durch seine Vielfalt aus. Dadurch, dass kein Song wie der andere ist kann man das Album an einem Stück durch hören ohne dieses "habe ich den Song nicht eben schon gehört?" Gefühl.
Tentakel P.: Ja, die Vielfalt. Die Stimmungen in den einzelnen Songs sind noch viel weiter auseinander als auf unseren bisherigen Alben, deswegen ist es besonders wichtig, dass man es an einem Stück hört – wir haben uns mit der Anordnung der Songs schon etwas gedacht, das Album erschließt sich eigentlich erst vernünftig beim kompletten Durchhören. Dann erst wird klar, welche Dynamik die Songs auch untereinander in Synergie erzeugen. Das wird bisher mit jedem Todtgelichter-Album wichtiger, haha... No easy listening!
Wollt ihr mit "Apnoe" eine bestimmte Botschaft vermitteln? An eure Fans? An die Gesellschaft?
Chris: Das ist jetzt meine persönliche Meinung: Ich bin kein Freund davon, durch Musik Botschaften vermitteln zu wollen. Für mich ist Musik ein künstlerischer Ausdruck, an dem man sich erfreuen soll. Wenn jemand aber in unserer Musik, Botschaften, Ratschläge oder Weisheiten entdecken will, darf er das gerne tun. Vielleicht sehen die anderen das aber auch ganz anders.
Tentakel P.: Todtgelichter ist ein Instrument für uns, bestimmte Dinge zu verarbeiten. Von daher möchte auch ich hier keine Botschaft vorkauen. Mir ist es allerdings wichtig, dass Leute, die sich eingehend mit dem Album beschäftigen, in unsere Welt eintauchen und sie interpretieren können. Ansätze dafür sind genug vorhanden. Ich vergleiche es gerne mit einem Expressionistischen Gemälde: Man findet dort eindeutige Anhaltspunkte, aber auch Elemente, die jeder für sich interpretieren muss. Das Ergebnis ist eine sehr individuelle Erfahrung, da jeder zu einem ähnlichen, aber nicht demselben Ergebnis kommt. Und so soll es auch sein, denn so kann das Album jedem persönlich etwas bieten.
Auf euren alten Alben waren größtenteils immer deutsche Titel zu finden. Im Verlauf hat sich das allerdings gewandelt und bei eurer aktuellen Scheibe ist sogar nur ein deutscher Song zu finden. Warum? Hatte das bestimmte Gründe?
Tentakel P.: Als einer von drei Textern auf "Apnoe", aber als Hauptausschlaggeber für die englische Entwicklung auf "Angst", möchte ich dazu Folgendes sagen: Zum einen war mir wichtig, da wir zunehmend Fans überall auf der Welt haben, dass auch diese in unseren musikalischen Kosmos eintauchen können, und dazu gehören nun mal Texte. Englisch wird nun einmal von den meisten unserer Fans verstanden. Der Hauptgrund aber war, dass ich mich mit dem Deutschen ziemlich ausgetobt habe und nun bestimmte Klänge und Stimmungen von Sätzen oder auch griffigen Wörtern in einer anderen Sprache ausprobieren möchte, und da ich Englisch relativ flüssig beherrsche, lag es einfach nahe. Das Deutsche wird mit Sicherheit nie ganz verschwinden, da es einfach einen eigenen, interessanten Klang hat. Im Moment fühlen wir uns mit dem Englischen aber ganz wohl. Wer weiß, wohin es uns zieht, wenn wir auch diese Sprache lyrisch erkundet haben...?
Was gefällt euch besser: Englisch oder Deutsch?
Chris: Mir gefallen englische Texte besser. Ich mag den Klang lieber. Außerdem ist es einfacher, da Englisch nicht meine Muttersprache ist, einen englischen Text auszublenden als einen deutschen Text. So macht man sich einen guten Song, den man hört, nicht durch einen peinlichen Text kaputt. Womit ich jetzt nichts sagen will, das unsere Texte schlecht wären, haha...Mag aber auch daran liegen, dass ich eher einen Death/Grind-Hintergrund habe und sowohl die Textverständlichkeit, als auch die Qualität dieser in diesen Genres hin und wieder eher fraglich ist.
Tentakel P.: Im Moment fällt es mir leichter, Formulierungen auf Englisch zu finden, da ich das Gefühl habe, im Deutschen bereits relativ viel ausprobiert zu haben, s.o. Das kann sich aber Morgen wieder ändern, wenn ich eine Inspiration auf Deutsch habe. Von besser oder schlechter aber mag ich nicht sprechen. Alles hat seine Vorzüge, es muss aber auch zu dem Rest (Musik) passen. Die neuen Lieder haben sich einfach "Englisch" angefühlt.
Dieses Mal habt ihr auch mit anderen Künstlern zusammengearbeitet. Glaubt ihr, das hat dem Album noch einen zusätzlichen positiven Touch gegeben? Welche Erfahrungen habt ihr daraus mitgenommen?
Chris: Ich hatte bereits vorhin den Abwechslungsreichtum des Albums angesprochen und ich denke, dass die Künstler, die als Gäste an diesem Album mitgewirkt haben, ihren Teil dazu beigetragen haben.
Es ist großartig, wenn man mit Unterstützung anderer Künstler den eigenen Songs den letzten Schliff geben kann, den man mit eigenen Mitteln nicht hinbekommen hätte. Sei es durch die besondere Klangfarbe einer Stimme oder durch ein zusätzliches Instrument, wie den Kontrabass in 'Soil'.
Tentakel P.: Gastkünstler haben ja sowieso eine lange Tradition bei uns. Am Anfang war immer Marta mit einigen Pianosachen als "Gast" dabei. Auf 'Schemen' haben zwei Freunde Didgeridoo und Saxophon eingespielt, Trolfbert (Ex-Negator, Pantheion) hat ein Gitarrensolo beigesteuert, außerdem gab es wieder Piano und erstmalig Gesang von Marta, die zu dem Zeitpunkt noch nicht fest dabei war. Auf "Angst" gab es Gastgesang von Eike Freese (Dark Age) und Nihilaz (Vulvark). Auch auf der Bühne haben wir immer mal wieder gute Freunde als Gäste, z.B. Nachtgarm (Ex-Dark Funeral, Negator), Azathoth (Ex-Dark Fortress, Eudaimony), Seuche (Fäulnis) und Torsten (Agrypnie, Nocte Obducta) – außerdem haben wir auch schon mal Bands durchgemischt, so haben wir z.B. bereits zweimal mit Leuten von EÏS und Gorath ein Maheym- sowie ein Darkthrone-Cover live dargeboten, mit Instrumententausch – Alboin bzw. (das andere mal Cypher) hat getrommelt und ich habe mir den Bass umgeschnallt, das war auch mal witzig, haha... Und jetzt haben wir eben auf "Apnoe" die beiden je auf ihre eigene Weise großartigen Sänger Daniel Brennare (Lake Of Tears) und Allen B. Konstanz (Ewigheim, The Vision Bleak). Der Punkt an diesen ganzen Kooperationen ist immer das I-Tüpfelchen und eigene Note, die all diese Künstler unseren Songs verleihen. Du bist halt, wenn du die jahrelang spielst bzw. monatelang probst und komponierst, irgendwann in deiner eigenen Blase gefangen. Leute von außerhalb geben dir nötige Impulse, Sachen auch mal von ganz anderen Blickwinkeln zu betrachten, die du eben selber nicht hast. Es ist immer wahnsinnig interessant, zu sehen, wie deine Songs von anderen wahrgenommen werden. Abgesehen davon, dass du so auch Schwächen entdecken und ausmerzen kannst, ist so etwas einfach sehr inspirierend.
Wie würdet ihr euch als Band mit nur drei Worten beschreiben?
Chris: Anders, wandelbar, überraschend.
Tentakel P.: Anders, eigenständig, unangepasst.
Was für Pläne habt ihr in der Zukunft? Wie geht es musikalisch weiter?
Chris: Wir arbeiten bereits in einem frühen Stadium an neuem Material und ich kann nur so viel sagen: Es wird keine Apnoe 2. Todtgelichter sind noch nicht am Ziel angekommen, die Reise geht weiter.
Tentakel P.: Und wir arbeiten mit Hochdruck daran, nach Martas Babypause endlich "Apnoe" live zu präsentieren! Veranstalter dürfen sich gerne an booking@todtgelichter.de wenden. Bald wird es auch auf dem Live-Sektor wieder weitergehen!
Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt, die Fragen zu beantworten.
Tentakel P.: Vielen Dank an euch!
Das Interview führte Me Lina