Reviews

Die Bibel

Label: SPV (2008)

Was ist denn in den Scheuermann gefahren? Was rezensiert der denn in letzter Zeit zusammen? Hört der noch Metal, oder warum kommt der jetzt mit einer gesprochenen Symphonie, bei der der deutsche Kultschauspieler Ben Becker aus dem Buch der Bücher liest? Nun, der Hauptgrund dafür ist, dass diese DVD so hammergeil ist, dass sie in meinen Augen und Ohren völlig neue Maßstäbe setzt! Für mich war das wichtigste Instrument in der Musik (neben der Gitarre) schon immer die Stimme. Und in dieser Kategorie verfügt Ben Becker, vor allem wenn es sich um das gesprochene Wort handelt, um eine der charismatischsten in der gesamten Republik. Dieses Wunschprojekt, an dessen Umsetzung er lange mit dem Filmorchester Babelsberg und der Zero Tolerance Band gearbeitet hat, verfügt über eine ebenso geniale wie einfache Grundkonzeption: Benn Becker liest mit seiner tiefen, manischen Stimme Texte aus dem Alten und Neuen Testament. Diese werden mit einer Art Score vom Orchester unterlegt, höchst professionell und unaufdringlich, niemals effekthascherisch oder platt-plakativ.

Und hier liegt die große Kunst, mit der wir es auf dieser Scheibe wirklich zu tun bekommen: Das Auge und Ohr für die Inszenierung zu wahren und nicht auf Kosten billiger Effekte eine Spezialeffektorgie abzuhalten. Als Beispiel möchte ich hier stellvertretend die Szene von der Erschaffung der Welt erwähnen, in der die Worte "...es werde Licht!" nicht mit einem Griff auf die Hauptsicherung der lokalen Flutlichtanlage gekoppelt werden, sondern der Dimmer nur leicht wahrnehmbar angeschubst wird. Während der gesamten Inszenierung, bei der Ben Becker die lediglich mit einem Kreuz geschmückte Kanzel nur zu einzelnen Gesangsdarbietungen verlässt, sind hinter dem Orchester Bilder und Filmsequenzen zu sehen, die in Gestalt eines Triptychons (dreiteiliges Altarbild) projiziert werden. Diese wechseln sich nur in sehr langsamer Folge ab und versuchen zu keinem Zeitpunkt, die Konzentration vom gesprochenen Wort abzulenken. Ein Kollege von der Vanity Fair hat sich gar zu der Behauptung hinreißen lassen, dass "Jesus...Gottes Sohn" sein mag, "aber Ben Becker" sei "seine Stimme!". Wenn man sich die epochale Größe dieser Aufführung anschaut und vor allem anhört (ich kann es nur immer wiederholen: Mein Gott, diese Stimme von Ben Becker!), dann ist man geneigt, diesem Kollegen Glauben zu schenken. Wenn man überhaupt etwas Schlechtes an diese DVD finden möchte, dann kann das nur sein, dass von der Originalinszenierung die meisten Songs (u.a. von Johnny Cash oder Elvis bzw. Simon & Garfunkel) aus Zeitgründen nicht ihren Weg auf die Scheibe gefunden haben. Aber ansonsten wären die gut drei Stunden der Show nur bei Qualitätseinbußen auf einem Silberling zu verstauen gewesen. Schade, aber wohl unausweichlich. Aber das war jetzt schon fast zuviel der Kritik!

Also tretet in eurem eigenen Interesse sämtliche Vorbehalte gegenüber dieser Scheibe in die Tonne und gönnt euch euren Anteil an der ganz großen Kunst! (Anmerkung: Die DVD läuft bei mir so häufig, dass ich sogar DVDs meiner Lieblingsinterpreten wie z.B. von Ken Hensley ("Blood On The Highway – Live") seit Wochen nicht mehr ansehen kann!)

Ein extrem euphorisierter

Frank Scheuermann. 






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