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Paradise Ballroom

Label: Esoteric Recordings (1977/2009)

Die Geschichte der Graeme Edge Band ist die wundervolle Geschichte vom Zusammentreffen zweier Supertalente, die ohne eine gewisse Tragik gar nicht erst zustande gekommen wäre. Doch erst einmal langsam. Die meisten von Euch können mit dem Namen Graeme Edge vermutlich erst einmal etwas weniger als nichts anfangen. Daher ein wenig musikhistorische Nachhilfe. Ähem. Bitte auch die Lümmel in der letzten Bank erst einmal hinsetzen und Finger auf die Bank legen.So, der Unterricht beginnt.

Graeme Edge war Gründungsmitglied und einziger Schlagzeuger der Band Moody Blues während ihrer gesamten Geschichte. Moody Blues waren eine der ersten progressiven Bands, die mit vornehmlich romantischen Songs und massivem Mellotroneinsatz auf sich aufmerksam gemacht haben. Unsterblich ist ihr Evergreen 'Nights In White Satin', aber auch Klassiker wie 'I'm Just A Singer In A Rock'n'Roll Band'. Daneben gründeten sie als eine der ersten Bands ihr eigenes Label um völlig frei zu sein und nahmen eine damals blutjunge Band namens Trapeze unter Vertrag (Glenn Hughes - Deep Purple; Mel Galley - Whitesnake und Phenomena;  Dave Holland - Judas Priest; erster Heavy Metal- Bezug!). Nach sieben LPs machte man erst einmal Pause um neue Kräfte zu sammeln. Graeme Edge beschloss daher, eine eigene Band auf die Beine zu stellen.

In der Zwischenzeit hatten zwei Brüder, Adrian (guitar, vocals) und Paul Gurvitz (bass, vocals) vor lauter Frust ihre musikalisch herausragende aber kommerziell enttäuschende Band Baker-Gurvitz-Army (mit Ginger Baker von Cream an den drums) zu Grabe getragen und wussten nicht, wohin sie gehen sollten. Sie hatten zuvor mit Gun ("Race With The Devil" einer der ersten Heavy Metal Hits, 2. Heavy Metal Bezug) und der Three Man Army bereits zwei ähnliche Power Trio Formate am Start.

Nachdem die erste Scheibe dieser neuen, hoffnungsvollen Band von Virtuosen "Kick Off Your Muddy Boots" sich ordentlich verkauft hatte, machte man erst einmal Urlaub und erholte sich in der Karibik. Nachdem die Batterien wieder aufgeladen waren, traf man sich zu den Aufnahmen für das Nachfolgealbum "Paradise Ballroom", das zwar grundsätzlich die gleiche Ausrichtung hatte, aber nun um einige Eindrücke aus dem Urlaub erweitert wurde. Und die zeigen sich in einigen Offbeats, die an Reggae oder Calypso erinnern. Den Hörgenuss, der sich bei mir eigentlich immer an Adrian Gurvitz' Gitarrenarbeit festmachen ließ beeinflusst das allerdings mitnichten nachteilig. Im Gegenteil ist die genau die Sorte Platte, die man als Rocker auch beim Urlaub auf Jamaica oder in anderen sonnigen Gefilden durchweg genießen kann.

Schade, dass die drei danach nie wieder zusammengearbeitet haben. Graeme Edge kehrte zu Moody Blues zurück, Adrian Gurvitz verlor für lange Jahre den Glauben an gute Musik und produziert unter seinem eigenen Namen drei grauenhafte Discoscheiben um in den 80ern als Songschreiber und Produzent für Whitney Houston (oh Gott!) negativ in Erscheinung zu treten. Paul Gurvitz überraschte uns vor wenigen Jahren mit seiner ersten echten Soloplatte "Rated PG". So schön wie hier wurde es leider nie wieder! Dieses wie immer wundervoll aufgemachte Rerelease von Esoteric Recordings kommt mit dem Singletrack "Be My Eyes" als Bonus daher.

Frank Scheuermann