- Calling the Choir
- Now or Nevermore
- Morning Dew
- Absence of Gravity
- Victorious
- Anna Lee
- Desert Star
- Sea Song
- End of the World
- Far and Away
- Holding out for a Hero (Bonus Track)
Label: Intono Records (2014)
Man nehme die „Masters of the Universe“, füge einen ordentlichen Schuss Metal hinzu und schmecke das Ganze mit einer Prise Gralsmythos ab. So etwa könnte sich das Rezept für die Hannoveraner Band „Grailknights“ anhören. Wem bereits die Idee ein irres Lächeln entlockt, der darf getrost weiterlesen, denn die Gralsritter aus Eternia liefern mit ihrem selbstbetitelten Superherometal unkomplizierte gute Laune. Das liegt nicht zuletzt daran, dass man sich nicht übermäßig ernst nimmt, auch die Konzerte im Superheldenoutfit absolviert und im Grunde stets ein Augenzwinkern mit einfließen lässt.
Das liegt aber auch daran, dass die Musik überzeugen kann. Bereits der titelgebende Opener kracht so richtig und legt den Kurs der Reise fest. Dass die Zuhörer zum Niederknien vor den Majestäten aufgefordert werden, wird wohl keiner übelnehmen, denn das Ganze ist so völlig over the top, dass nur völlig spaßbefreite Gemüter das bierernst nehmen dürften.
Sowohl „Now or Nevermore“, das anfangs noch ruhig daherkommt um dann richtig aufzudrehen, als auch „Morning Dew“ erinnern textlich wie auch stimmungsmäßig an die Kollegen von „Alestorm“, ohne dass man den Rittern ein einfaches Plagiat vorwerfen würde.
Während bereits bei „Morning Dew“ die Stimme vereinzelt an den Rand der Growls kam, geht es bei „Absence of Gravity“ definitiv über diese Grenze. Nach den Einsteigern kommt dieser Wandel etwas überraschend, woran es wahrscheinlich liegt, dass ich mich für diesen Song nicht so ganz erwärmen kann. Da versöhnt zum Glück das nachfolgende „Victorious“, das zwar auch Growls bietet, diese aber deutlich besser in klaren Gesang einbaut, wenngleich die Übergänge zum Refrain irgendwie immer noch holprig wirken. Mit „Anna Lee“ folgt eine klassische Ballade, die zwar im Vergleich zu den vorhergehenden Songs fast schon irritierend in ihrer ruhigen Art wirkt – allerdings muss man zugeben, dass sie an einer anderen Stelle des Albums (man stelle sie sich nur mal nach „Absence of Gravity“ vor) noch deutlich deplazierter gewirkt hätte. Als kleiner Reminder für die Bandbreite der Grailknights passt das denn schon.
„Desert Star“ beginnt zwar auch langsam und getragen, nimmt aber massiv Fahrt auf und entwickelt
sich zur Hymne, die durch die Growls von Optimus Prime noch zusätzlich Härte auffährt. Beim stimmungsvollen „Sea Song“ konnte ich mir, nicht nur wegen des Textes, erneut den Vergleich zu „Alestorm“ nicht verkneifen. Zwar habe ich die Hannoveraner bisher noch nicht live erleben können, doch es ist schwer anzunehmen, dass die Menge bei diesem Song kochen dürfte.
„End of the World“ fährt gesanglich eine Schiene, die an ältere „Grailknights“-Songs erinnert, während der Refrain stimmlich einen schönen Kontrast aufbaut. Gegen Ende kann man aber dann mit clear vocals nochmal überraschen. Der Abschluss „Far and Away“ dreht die Uhr praktisch nochmal zurück: bei keinem anderen Track dürften die Death Metal-Einschläge der Grailknights deutlicher werden. Damit fungiert der Song auch als ein schöner Gradmesser für die Entwicklung der Band – im Moment orientiert man sich ja deutlicher stärker in die Powermetal-Gefilde.
Den Bonustrack kann man im Grunde nur mit Humor genießen: Wer auf minimalst veränderte Interpretationen steht, der möge schon mal die Skip-Taste drücken. Wer sich dagegen den Spaß gönnen will, einmal eine etwas andere Version des totgespielten Bonnie Tyler-Hits „Holding out for a hero“ zu hören, der ist hier goldrichtig. Ich glaube, so herzhaft habe ich dieses Jahr noch nicht gelacht.
„Calling the Choir“ ist ein Album, das Laune macht. Punkt. Anders kann man es wohl nicht zusammenfassen. Jenseits eines Livealbums hatte ich nur selten eine Scheibe in der Hand, die so sehr Konzertfeeling versprüht. Letztendlich wird jedoch alles mit der Ausrichtung des geneigten Hörers stehen und fallen: Wer auf „true“ steht – die Tür ist da hinten. Wer Bands mag, die auch mal spinnen und sich selbst nicht übermäßig ernst nehmen und die noch Spaß daran haben, Spaß zu verbreiten: kommt herein Freunde. Ja, die Ritter haben sich musikalisch etwas gewandelt und sind den ausgetretenen Pfaden des Powermetal näher gekommen. Seis drum, die Scheibe macht dennoch (oder gerade deswegen?) Spaß. In einzelnen Belangen gibt es natürlich noch Verbesserungspotential, weshalb es hier nicht die Höchstnote gibt, doch abgesehen davon eine klare Kaufempfehlung.
9/10
KoJe