Label: Rhino Records (2015)
Es gibt nicht viele Bands, die die Attribute "legendär", "stilprägend" und "klassisch" auf sich mit Recht vereinen können. Die Band The Grateful Dead aus San Francisco gehören sicherlich dazu. Sie waren Ikonen der Hippieszene, waren gleichermaßen Produkt ihrer Zeit und Avantgardisten kommender Ereignisse. Dabei immer erkennbar und von chamäleonartiger Wandlungsfähigkeit. Abschwebender LSD-verseuchter Psychadelic Rock war genauso ihr Metier wie sanfter Westcoast Folkrock oder Ausflüge ins tiefste Countrygemüt der amerikanischen Seele. Dazwischen immer herzhafter Rock und das Wissen, dass die erste Jamband (lange noch vor der nicht minder genialen Allman Brothers Band) eben die Jungs aus Frisco waren.
Die sehr wechselvolle Bandgeschichte, deren einziger Charthit auf ihrem vorletzten Studioalbum zu finden war, und die trotz mäßiger Verkaufszahlen einen Kultstatus wie kaum eine andere Band erlangt haben, beinhaltete jede Menge menschliche Tragödien. So war es wohl der Job als Keyboarder bei den Grateful Dead, der neben dem eines Schlagzeugers bei Spinal Tap der gefährlichste im gesamten Rockuniversum war. Einer nach dem anderen verstarb unter merkwürdigen oder tragischen Umständen. Das alles steckte die Band weg, da die Achse, bestehend aus den Gitarristen Bob Weir und Jerry Garcia immer stand. Das änderte sich vor ziemlich genau 20 Jahren, als Jerry Garcia den Folgen seines Jahrzehnte andauernden Drogenkonsums Tribut zollen musste und in die himmlische Allstar Band einging. Seither haben The Grateful Dea mit wechselnden Gastgitarristen (u.a. Warren Haynes von Gov't Mule und den bereits erwähnten Allman Brothers) zum Teil unter ihrem angestammten Namen oder als "The Other Ones" gespielt. Nun ist auch dieses Kapitel endgültig beendet. In diesem Sommer gab die Band mit den meisten offiziellen Konzertalben ihre letzten Shows für ihre Fans. Das dankbare Publikum war von überall her angereist, um sich die Farewellshows nicht entgehen zu lassen. An der Leadgitarre war dabei der Gitarrist von Phish, einer ebenfalls von Mainstreamerfolgen weitgehend verschonten Jamband. Jetzt bestand die Magie von Grateful Dead zu allen Zeiten aus der engen Verquickung der beiden gegensätzlichen Gitarristen Weir und Garcia. Diese ist durch den völlig anderen Stil des neuen Protagonisten natürlich aufgebrochen. Viele werden davon wohl ein wenig abgeschrckt und manche Grateful Dead Klassiker klingen nur noch bedingt nach dem, was man über die Jahrzehnte lieb gewonnen hat. Aber andererseits stellen die neuen Ansätze bei unvoreingenommener Herangehensweise auch einen durchaus zulässigen neuen und gleichermaßen frischen Blickwinkel auf klassisches Songmaterial dar. Sound und Bild sind sehr gut, da gibt es zumindest auf meiner Anlage nichts zu meckern. Aufgeschlossene Deadheads sollten der Platte eine Chance geben, auch wenn sie anders ist. Und vermutlich ist es auch nur eine Frage der Zeit, bis die anderen Farewell-Konzerte ebenfalls veröffentlicht werden. Und wieder einmal sind Helden meiner Jugend gegangen. Aber immerhin mit einem ordentlichen Paukenschlag! The Grateful Dead sind nun endgültig zu einem dunklen Stern geworden! Fare Thee Well and what a long strange trip it's been!
Frank Scheuermann
9/10