Reviews

Rabbit Don't Come Easy

Label: Nuclear Blast (2003)

Erinnert sich noch jemand an Helloween? Ja, richtig. Genau die Band, die mit ihrem ’86er-Debüt „Walls Of Jericho" wie eine Bombe in die deutsche Musiklandschaft einschlug. Die Truppe, die mit dem „Keeper Of The Seven Keys"-Doppeldecker Musikgeschichte schrieb. Geburtsstätte für Metal-Promis wie Michael Kiske und Kai Hansen. Die Kapelle, die mit der Verpflichtung von Andi Deris (damals bei Pink Cream 69 tätig) mit für die größten Diskussionen neben der Dickinson / Bayley-Geschichte bei Iron Maiden gesorgt hat. Genau die Combo, die sich anno 2000 mit „The Dark Ride" fast komplett in musikalisches Niemandsland katapultierte und auf deren Comeback mit Sicherheit kein Schwein mehr einen Pfifferling gegeben hätte. Aber - sag niemals nie. Die Hamburger Kürbisköppe melden sich mit „Rabbit Don't Come Easy" gar eindrucksvoll zurück und liefern, so viel sei vorweggenommen, das stärkste Album der Deris-Ära nach „Better Than Raw" ab.

Die Single-Auskopplung ‚Just A Little Sign' zeigt die neue (alte) Marschrichtung deutlich auf: Überschalltempo, 'ne Familienpackung an eingängigen Melodien, Fiedelsoli, 'ne ordentliche Portion Power sowie ein Refrain, der so schnell nicht mehr aus den Hirnwindungen weichen will. Also alles wieder so gut wie früher? Sicherlich nicht. Aber immerhin so gut, wie es mit Deris und ohne die geschassten Uli Kusch und Roland Grapow möglich scheint. Melodic Speed-Hymnen (‚Open Your Life', ‚The Tune', ‚Hell Was Made In Heaven') wechseln sich mit teils etwas düsteren Midtempo-Stampfern (‚Never Be A Star', ‚Sun 4 The World', ‚Back Against The Wall') ab, und mit ‚Liar' hat man sogar einen unverschämt aggressiven Track am Start, welcher der Band aber erstaunlich gut zu Gesicht steht. Mit ein Glanzstück von „Rabbit Don't Come Easy" ist die Ballade ‚Don't Stop Being Crazy', die nicht nur erfreulich unschnulzig aus den Boxen dröhnt, sondern vor allem auch mit einem richtig guten Text aufwarten kann. Respekt. Apropos Respekt: Der geht insbesondere an Aushilfs-Schlagwerker Mikkey Dee (Motörhead), der hier einen formidablen Job abliefert. Aber auch Weiki und Sascha Gerstner an den Sechssaitigen schütteln sich mitreißende Riffs und toll gelungene Soli aus den Ärmeln - ganz besonders loben möchte ich an dieser Stelle allerdings den immer im Kreuzfeuer in der Kritik stehenden Andi Deris. Der Gute setzt auf „Rabbit Don't Come Easy" seine deutlich in der Hard Rock-Ecke beheimatete Stimme so ein, wie sie gemacht ist. Sprich: Keine pseudo-hohen Passagen, kein Gejaule und vor allem keine Versuche, ums Verrecken Erinnerungen an seinen sowieso nicht zu erreichenden Vorgänger Kiske zu wecken. Mal rauh und hart, mal roh und dreckig, oder auch klar und äußerst melodisch - der Mann weiß mittlerweile, was er zu tun hat.

Richtige Ausfälle gibt es auf „Rabbit Don't Come Easy" nicht zu vermelden, auch wenn der ein- oder andere Refrain für meinen Geschmack ein wenig zu zuckersüß rüberkommt, so haben Helloween doch deutlich gemacht, dass sie noch mit zur Speerspitze der deutschen Metal-Szene gehören. Allen Fans kann man das neue Album deshalb getrost empfehlen, und jeder, der auch nur ein bisschen was mit der Stilrichtung Melodic Speed anfangen kann, sollte seine Lauscher ab dem 12.05. mal auf Empfang stellen. Verdammt gutes Comeback!

Rouven Dorn