Konzerte

Jeanette
Marylin's Boys

04.April 2003

Bevor sich einige verwundert die Augen reiben, welchen Konzertbericht sie hier vorfinden, möchte ich dem kurz vorgreifen: Unser Themenschwerpunkt bleibt natürlich auch weiterhin Musik der schwereren Gangart, aber Ausnahmen bestätigen die Regel. In diesem Fall heißt die Ausnahme Jeanette und war an diesem Abend im Zuge ihrer Rock My Life Tour in Mainz zu gegen. Als begeisterter Anhänger der kleinen Berlinerin habe ich mich mit einem nicht minder leidenschaftlichen Fan und Exklusivfotografen für Evil Rocks Hard nach Mainz begeben, um diesem Ereignis beizuwohnen. Kurioserweise war im Vorfeld von anderen Jeanette Konzerten bis auf ein paar Sätze kein ausführlicher Konzertbericht zu finden, deshalb werden wir dem Abhilfe schaffen.

Als wir um 19.30 Uhr zum Eingang pendelten, waren wir etwas erstaunt, da die Kasse anscheinend vom großen Andrang verschont geblieben ist. Unser erster Gedanke war, dass die gute Shakira am gleichen Abend wohl mehr Fans in die Festhalle nach Frankfurt gelockt hat. Doch diese Überlegung erledigte sich sehr schnell als wir die Halle betraten, die schon fest in der Hand von Teenies und Kindern in Begleitung ihrer Eltern war. Und da die Kleinen auch nicht allzu lange aufleiben sollen, fiel der Startschuss für Jeanette schon um 20 Uhr.

Das es in der Halle bis dahin nicht gerade leise zuging, lag an der Supportband Marilyn’s Boys die, wie sich das für ein von Viva und Bravo präsentiertes Konzert gehört, die weibliche Scharr in Extase (und manche wohl auch in Ohnmacht) versetzte, dass ein oder andere Tränchen soll auch geflossen sein. Ob die 5 Jungs der Band bei so viel Weiblichkeit schwach geworden sind, bleibt zu bezweifeln, denn Marilyn’s Boys sind die erste schwule Boygroup auf Erden! Wer das nicht wusste, dürfte es bereits anhand des in rosa schimmernden Bühnenhintergrundes vermutet haben. Was bei den No Angels und Bro’Sis so prächtig geklappt hat, soll nun auch mit den Herren vom anderen Ufer funktionieren. Rico, Andrim, Jeremy, Ruan und Yves sind die Namen der Auserwählten, die sich in einem bundesweiten Talentwettbewerb durchgesetzt haben. Musikalisch wird die Gruppe kaum einen neuen Trend einleiten, Backstreet Boys, ’N Sync und Caught In The Act heißen die Vorgänger und Trendsetter, Gesang und vor allem Tanz sind die Schwerpunkte, die Musik kommt vom Band. Wer die bereits erwähnten Castings überstanden hat, sollte dann auch die Töne treffen, diese Annahme wurde von der Band bestätigt. Die Stimmen sind recht gut aufeinander abgestimmt, auch wenn sie sich allesamt sehr ähnlich anhören. Letzter Song des Abends und zugleich auch der Einzige, der mir namentlich in Erinnerung geblieben ist, war ‚Hot Stuff’, die nächste Single der Band (erscheint Anfang Mai). Ob sich das Konzept durchsetzen wird, bleibt abzuwarten, an diesem Abend haben Marilyn´s Boys ihre Aufgabe als Anheizer für die Kids souverän erledigt.

Nach einer kurzen Verschnaufpause gingen fast auf die Sekunde genau die Lichter aus und der Vorhang fiel. Auf der Bühne war eine Art Podium mit einer Treppe aufgebaut, im Hintergrund ragte eine riesige Videoleinwand. In Begleitung eines epischen Intros (fast schon wie bei metallischen Gigs) betraten mehrere Mönche die Bühne. Während dieses Schauspiels sah ich urplötzlich Vertrautes auf der Bühne: Ein Schlagzeug! Nachdem die Mönche ihre Runde beendet hatten, erklangen zuerst die Drums, die zum mitklatschen animierten, danach trat der Bassist auf, gefolgt vom Keyboarder und schlussendlich vom Gitarristen. Nachdem auch die drei Backgroundsängerinnen nicht wenige Blicke auf sich zogen und die Tänzer die Bühne betraten, erschien sie endlich: Jeanette wurde per Aufzug aufs Parkett katapultiert und eröffnete die Show mit ‚Don’t Treat Me Badly’, ein Song im Stile von Christina Aguilara’s ‚Dirrty’. Schon während des Openers merkte man sehr schnell, dass die Bandunterstützung eine wesentliche stärkere weil härtere Präsenz offenbart als die Stücke auf dem Album erzeugen. Dass die Teenies schon zu Beginn ausflippten, versteht sich von selbst. Nachdem auch die folgenden zwei Songs ohne Ansage gespielt wurden, kam mir schon der Vergleich mit Rob Halford beim Bang Your Head in den Sinn. Doch just in diesem Moment kamen der Berlinern die Worte „Hallo Mainz“ über die Lippen. Den darauf folgenden Appell gegen den ´Bushismus´, den Krieg und die Abhaltung einer Schweigeminute hätte sich die gute Jeanette meines Erachtens nach sparen können, Zitat eines Zuschauers: „Die soll singen und nicht philosophieren“. Danach ging’s mit den Hits ‚How It’s Got To Be’ und ‚You Will Be There’ weiter, vor allem bei letzterem hatte der Gitarrist einige straighte Riffs zu bieten, so dass der Song für seine Verhältnisse enorm heavy rüberkam. Weiter ging’s mit ‚Go Back’ und ‚Funny Day’ bei dem sich auch das Publikum mal beim Singen versuchen durfte. Kurz darauf wurde es dunkel und Jeanette verschwand von der Bühne während eine Videobotschaft die Zeit überbrückte. Als das Licht wieder an ging, standen mehrere Palmen auf der Bühne die einen Hauch von Samba verbreiteten. Das darauf folgende Medley war mit eines der Höhepunkte des Abends. Erwähnenswert hierbei war auch eine weitere Coverversion, bei der ein Keyboard Solo im guten alten Rock’n’Roll Stil zur Stimmung beitrug, fast schon in Molly Hatchet Manier. Neben der Ballade ‚No More Tears’ folgten hauptsächlich schnellere Stücke wie ‚Let’s Party Tonight’ und ‚As Long As We’re Young’. Dass die Sängerin an diesem Abend auch stimmlich gut beisammen war, bewies sie vor allem bei ‚Right Now’, dass sicherlich keinen einfachen Refrain aufweist sowie bei ‚Heartbeat’, bei dem sie die Töne sehr lange hielt. Letzteres begeisterte auch aufgrund eines Saxophon Solos. Den Abschluss bildete ‚We’ve Got Tonight, welches im Original im Duett mit Ronand Keating gesungen wird, er wurde durch den Gitarristen vertreten. Soweit der offizielle Teil, nach kurzen aber heftigen Zugaberufen ging’s mit einer verlängerten Version von ‚Rock My Life’ weiter, bei der auch der Gitarrist mal ordentlich an den Saiten zupfen konnte. Der Abschluss der fast zweistündigen Show war natürlich die aktuelle Single ‚It’s Over Now’, die in einer Unplugged Version (Gitarre und Bass) gespielt wurde. Letztlich ließ sich Jeanette, noch gerührt von den Beifallsstürmen des Publikums zu dem Satz hinreißen „Mainz ist Mainz“ (Kenner der Szene behaupten Mainz bleibt Mainz), aber das juckte auch keinen mehr. Nach den Danksagungen an Crew, Band und Tänzer verschwand die kleine Berlinerin mit dem Zusatz, bald wieder nach Mainz zu kommen.

Fazit: Eine sehr gute Show, die teilweise durch die Bandunterstützung Rock Charakter hatte. Jeanette Biedermann präsentierte sich stimmlich und optisch (5 verschiedene Outfits, uns hat’s gefreut) absolut top und begeisterte mit ihrer sympathischen Art. Mir bleibt nur noch eines zu sagen: Marco, du hattest deine Chance!

Oliver Bender